Vor 25 Jahren im Nachmonsun des Jahres 1995 leitete der VIVALPIN Bergschulleiter Wolfgang Pohl eine hochkarätig besetzte Leistungsexpedition des Deutschen Alpenvereins zum bis dahin unbestiegenen Gipfel des Nuptse East (7804m), der in unmittelbarer Nachbarschaft des Lhotse (8516m) und des Mount Everest (8848m) liegt und zusammen mit seinem Hauptgipfel und den anderen Nebengipfeln bis heute zu den schwierigsten bergsteigerischen Zielen weltweit zählt.
Die weiteren Teilnehmer an dieser Expedition waren Robert Jasper, Jörn Heller, Philip Jaerschky (✝︎), Jürgen Krieger, Christian Schlesener, Christoph Kruis und Dr. Ansgar Halder. Begleitet wurde das Team zusätzlich von zwei Kameramännern und einer Redakteurin, die die Unternehmung für verschiedene deutsche Fernsehsender dokumentierten. Die Expedition durchstieg damals den über 1500 Meter hohen Südostpfeiler bis auf den Pfeilergipfel des Diamond Towers (6750m) und erreichte eine Höhe von 7050 Meter, bevor sie schließlich in den orkanartigen Stürmen des Jetstreams aufgeben musste.
Der Südostpfeiler des Nuptse East wurde bis dahin und auch danach von mehreren internationalen Expeditionen, alle durchgehend mit Top Besetzung, versucht. Doch sowohl die britische Expedition mit Jeff Lowe und Marc Twaight 1986, die auf 6600 Meter scheiterte, die Expedition von Hans Kammerlander und Maurizio Lutzenberger 1997, als auch die internationale Expedition von Stephen Koch, Marko Prezelj und Steven House 2002 konnten den Gipfel nicht erreichen bzw. die von der deutschen Expedition erreichte höchste Höhe nicht übertreffen.
Erst im Jahr 2003 gelang es den Russen Valery Babanov (Gewinner des Piolet d’Or 2002) zusammen mit Yuri Koshelenko nach mehreren Versuchen im Alpinstil angeblich den Gipfel in der Nacht zu erreichen. Dieser Gipfelerfolg wird jedoch bis heute von mehreren Fachleuten der internationalen Expeditionsszene angezweifelt und so kann niemand mit Sicherheit beurteilen, ob der Gipfel des Nuptse East tatsächlich schon bestiegen wurde.
Einen Eindruck von den Schwierigkeiten der Route liefert ein Auszug aus dem Bericht des Expeditionsleiters Wolfgang Pohl, der auch im DAV Jahrbuch 1997 veröffentlicht wurde: „17.10.1995: Diamond Tower. Zusammen mit Philip und Ansgar verlasse ich um 3:00 Uhr die Eishöhle (Lager 1). Im Schein der Stirnlampe am senkrechten Fixseil im „Wasserfall“ baumelnd, rundherum nur eisig kalte Nacht, fühlst Du Dich einsam und verloren.
Ansgar macht sich nur bemerkbar, als er nach wenigen Seillängen fluchend sein Steigeisen verliert. Philip kann ich „spüren“, wenn das Fixseil ruckt und und er mir damit das Zeichen gibt, daß er über die nächste Zwischenfixierung hinaus ist und ich die Jümars einhängen kann. An den Haifischzähnen im ersten Tageslicht pumpe ich auf ca. 6500 Meter Höhe eine 20 Meter lange überhängende Passage hinauf. Ein schwacher Trost, daß auch Ansgar mit bellendem Husten nach Atem ringt, als er bei mir am Stand ankommt. Mit den ersten Sonnenstrahlen erreichen wir den Umkehrpunkt unter dem riesigen Eispilz des Diamond Towers.
Wir suchen nach der besten Möglichkeit, dieses überhängende Monstrum aus Schnee und Eis auszutricksen und werden schließlich nach einer kurzen Querung in die Westseite fündig. Noch wenige nervenaufreibende Meter, dann legt sich das Gelände zurück und wir stehen endlich auf dem Diamond Tower (6750m). Über 60 Seillängen mit über 2000 Klettermetern bis VII+, A2 im Fels und 90° im Eis liegen hinter uns. Nach einer kurzen Rast beginnen wir, begleitet von stürmischen Winden, das zweite Lager ebenfalls als Schneehöhle einzurichten und beenden nach 18 Stunden total erledigt unser Tagwerk. In der Nacht stürmt und schneit es unentwegt. Immer wieder bläst der Wind Schnee in die Höhle auf unsere Schlafsäcke und hindert uns am Schlafen. Beim Abstieg am folgenden Tag stellen wir entsetzt fest, daß ein gewaltiges, ca. 20 Meter breites und mindestens 10 Meter hohes „Schwert“ des Gipfeleispilzes vom Diamond Tower abgebrochen ist und unser Fixseil auf gut 100 Meter weggerissen hat.“
Eindrücke von der DAV Leistungsexpedition 1995 zum Südostpfeiler des Nuptse East (7804m):
Hey Wolfi,
cooler Bericht vom Nuptse den du da geschrieben hast.
Beste Grüsse
Jörn
Toller Blog, auf den ich leider erst jetzt gestoßen bin.
Ja, Jaerschky ist leider dann einige Jahre später in den (frz.?) Alpen ums Leben gekommen. Ruhe in Frieden.
Geschichten über die dt. „All-Stars“ sind halt einfach klasse; über das Expeditionsgeschehen in den 1980ern bis 2000ern.
Die „alten Recken“ gehen ja jetzt dann auch schon auf die 60, teilweise 65 Jahre.
Gerne mehr von diesen herrlichen Geschichten! 🙂
Und, mit Augenzwinkern – so, wie der Steck Ueli stets der schnellste Mann am Berg war, ist Wolfgang Pohl bis heute stets der „schönste Mann am Berg“… 🙂
Liebe Grüsse nach Oberbayern, habt ein gutes 2024!… 🙂
Lieber Rainer,
vielen Dank für deinen netten Kommentar und auch dir noch ein frohes neues Jahr 2024!
Diese tollen, „alten“ Geschichten möchten wir hier nach und nach publik machen und sind froh, wenn es so begeisterte Leser wie dich gibt 😊
Viele Grüße aus Garmisch-Partenkirchen,
dein Vivalpin Team