Schnee – Lawine – Risiko

Powderabfahrt ohne Risiko?

Schnee ist nicht gleich Schnee. Schnee in seinen unterschiedlichsten Umwandlungsformen ist eine spannende Geschichte. Nur wer den Schnee versteht, kann auch die Mechanik von Lawinen verstehen und ein entsprechendes Risikomanagement anwenden. Die von den Lawinenkommissionen angewendeten Strategien und Techniken basieren auf einem riesigen Erfahrungsschatz, von dem man vieles lernen kann. 

VIVALPIN möchte dich bestmöglich dabei unterstützen, dich auf deine Touren im Schnee vorzubereiten. Dafür geben wir dir die wichtigsten Grundlagen der Schnee- und Lawinenkunde an die Hand.

1. Schichtenaufbau der Schneedecke 

Die Basis der Lawinenkunde ist der Schnee – wie kommt es überhaupt zu Lawinen, kann man das einfach auf einen Nenner bringen?
Die Wettereinflüsse — Wind, Temperatur und Strahlung — bedingen eine unterschiedliche Umwandlung der Schneekristalle während des Schneefalls und in der Schneedecke. Es entstehen Schichten mit unterschiedlichen Eigenschaften (Kornform, Korngröße, Festigkeit, Verformbarkeit). Man unterscheidet zwischen vier Umwandlungsformen:
1. Windumwandlung (außerhalb der Schneedecke)
2. Abbauende Umwandlung
3. aufbauende Umwandlung
4. Schmelzumwandlung

Voraussetzungen zur Schneebrettbildung
Damit die Schneedecke als Schneebrett abgleiten kann, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Gebundene Schneeschicht(en) = Schneebrett! Bindung zwischen den Schneekristallen in den schneebrettbildenden Schicht(en)
2. Schlechte Bindung zwischen den Schichten oder zur Altschneedecke = Schwachschicht mit geringer Scherfestigkeit
3. Steilheit (>30°) = Hangabtrieb, Spannungen! 

Verdeutlichung der verschiedenen Schichten durch Lawinenexperte und Polizeibergführer Lenz Böhm bei einem VIVALPIN Lawinenkurs

2. Lawinenprobleme

Der:die Expert:in kennt verschiedenen „Lawinenprobleme“, die die unterschiedlichen Gefahren klassifizieren und beschreiben.

Im Lawinenlagebericht werden die Lawinenprobleme mit den entsprechenden Symbolen dargestellt.
Seit dem 01.02.2023 wurde das „Günstig“ Symbol gegen das „kein ausgeprägtes“ augetauscht.

2.1. Neuschneeproblem

Das Problem entsteht durch aktuelle Schneefälle oder kurz zuvor gefallenen Neuschnee. Der Haupteinflussfaktor ist die kritische Neuschneemenge mit Faktoren, Temperatur, Wind und die Altschneeoberfläche.
Wo: Meist in allen Expositionen; schlechte Verbindung zur alten Schneeoberfläche aber auch innerhalb des Neuschneepakets, in den Höhenlagen meist gefährlicher.
Dauer: Während des Schneefalls, und bis 1-2 Tage nach dem Schneefall.
Verhalten: Der erste schöne Tag nach einem Schneefall gilt als besonders unfallträchtig!

2.2. Triebschneeproblem

Das Triebschneeproblem entsteht durch windverfrachteten Schnee.
Wo: Tendenziell in windabgewandten Bereichen (Lee), in Rinnen, Mulden, hinter Geländekanten, und Häufiger über der Waldgrenze als darunter. Weniger gute Verbindung zur Altschneeoberfläche; sofort gebundenes Schneepaket und dadurch leichte Bruchausbreitung.
Dauer: Triebschnee kann sehr rasch entstehen und bis einige Tage nach dem letzten Windeinfluss andauern. Beachte Windzeichen, Triebschneeablagerungen, frische Lawinen.
Verhalten: Vermeide Triebschneeablagerungen in steilem Gelände, insbesondere an Übergängen von wenig zu viel Schnee und von weichem zu hartem Schnee.

Typisches Triebschneeproblem.
Fernauslösung durch Skifahrer bei Lawinenstufe 3.

2.3. Altschneeproblem

Beim Altschneeproblem sind typische Schwachschichten überlagert mit einem gebundenen Schneepaket, z.B. eingeschneiter Oberflächenreif, Graupel, Schwimmschnee am Boden, harte und weiche Schichten, große und kleine Kristalle. Das Altschneeproblem ist sehr schwer zu erkennen und zu beurteilen. Hier sind die Informationen aus dem Lawinenlagebericht sehr wichtig.
Wo: Verteilung: meist in allen Expositionen möglich, aber auch häufig in schattigen windgeschützten Hängen.
Dauer: Wochen bis Monate, teilweise auch über den gesamten Winter.
Verhalten: Zurückhaltung; große Hänge meiden; defensiv Uuterwegs sein. Das Altnschneeproblem ist die Hauptursache von tödlichen Lawinenunfällen bei Wintersportler:innen.

2.4. Nassschneeproblem

Das Nassschneeproblem entsteht durch eine zunehmende Schwächung der Schneedecke durch Wassereintrag, entweder durch Schmelze oder Regen.
Wo: Wenn Regen die Ursache ist, sind alle Expositionen betroffen, wenn die Sonneneinstrahlung die Ursache ist, dann ist es expositionsabhängig.
Dauer: Stunden bis Tage, rascher Stabilitätsverlust möglich. Meistens am Nachmittag, außer wenn Regen die Hauptursache ist.
Verhalten: Im Frühjahr früh losgehen und die tageszeitliche Erwärmung beachten. Gute Tourenplanung.

2.5. Gleitschneeproblem

Die gesamte Schneedecke gleitet auf glattem Untergrund (Grashänge oder glatte Felsenzonen) ab. Typisch bei sehr hoher Schneelage. Gleitschneelawinen können sowohl bei einer trockenen, kalten, als auch bei einer nassen und warmen Schneedecke auftreten. Entstehen durch Reibungsverlust auf einer wassergesättigten Schicht zwischen Schneedecke und Boden.
Wo: Vor allem auf glattem Untergrund in allen Expositionen, aber öfter an Südhängen.
Dauer: Tage bis Monate, Auslösungen während des ganzen Winters möglich.
Verhalten: Halte dich nicht in der Nähe von Gleitschneerissen auf.

3. Lawinenlagebericht

Der Lawinenlagebericht wird am Vortag um 18.00 Uhr herausgegeben und kann bis 08:00 Uhr am nächsten Morgen noch angepasst werden (s. Übersicht der Lawinenwarndienste des DAV). In der Informationspyramide (s. Bild) stehen an oberster Stufe die Schlagzeilen: die regionalen Gefahrenstufen und das vorherrschende Lawinenproblem. Dies sind die wichtigsten Informationen, die jede:r Nutzer:in auf dem ersten Blick sehen soll. Im zweiten Teil werden die Lage der Gefahrenstellen, die Auslösewahrscheinlichkeit (Selbstauslösung, geringe oder große Zusatzbelastung) und die Größe der zu erwarteten Lawinen beschrieben. Dazu benötigt der:die Nutzer:in bereits gute Kenntnisse (über Geländeformen, Auslösemechanismen und Tourenplanung), um die Informationen bestmöglich nutzen zu können. Im dritten Teil wird der Schneedeckenaufbau möglichst exakt wiedergegeben, um dem:der Nutzer:in (Expert:in) die Möglichkeit zu geben, die Gefahrensituation vor Ort zu überprüfen.

Gefahrenstufen des Lawinenlageberichts

Für Einsteiger:innen (und auch für die Presse bei allen Lawinenunfällen) sind die Gefahrenstufen des Lawinenlageberichts das Wichtigste.
Gefahrenstufe 3: ca. für etwa 30 % des Winters prognostiziert. Erfahrung in der LW-Beurteilung erforderlich; Steilhänge der angegebenen Exposition und Höhenlage meiden.
Gefahrenstufe 2: ca. für etwa 50 % des Winters prognostiziert. Vorsichtige Routenwahl, vor allem an Steilhängen der angegebenen Exposition und Höhenlage
Gefahrenstufe 1: Für etwa 20 % des Winters prognostiziert. Allgemein sichere Verhältnisse.

Die fünfstufige Skala gibt es seit 2003

4. Risikomanagement

Die 3×3 Filtermethode ist eine seit 1990 bewährte Strategie zur Einschätzung der Lawinengefahr. Mittels Zoomsystem wird die Situationseinschätzung von Filter zu Filter immer deutlicher. Es handelt sich um eine qualitative Beurteilungsstrategie der Tourenplanung im Vorfeld, auf Tour und dem Einzelhang mit den Faktoren Verhältnisse, Gelände und Mensch. Nur wenn alle Punkte positiv beantwortet werden können, sollte man auf Tour gehen / weitergehen.

Die Snowcard ist eine Diagrammkarte mit Prismenbild zur Darstellung des Risikos in günstigen oder ungünstigen Expositionen. Sie wird folgendermaßen angewendet:
1. Lawinenlagebericht: Einschätzung des Gefahrengrads, der Hangrichtung, -form & Höhenlage
2. Drei Fragen beantworten: Gefahrengrad? Wo ist die steilste Stelle (< 10 x 10m) im Einzugsbereich? Können Hangrichtung, Hangform, Höhenlage günstig oder ungünstig beurteilt werden?
3. In welcher Farbe liegt der Hang? Grün: relativ geringes Risiko — Gelb/Orange: Vorsicht — Rot:Verzicht

Generell empfehlen wir zu diesem komplexen Thema den Besuch eines VIVALPIN Lawinenkurses

Unser Tipp: Einhaltung dieser Vorsichtsmaßnahmen auf Skitour
Eine moderne Notfallausrüstung gehört auf jede Tour abseits gesicherter Pisten.

5. Notfallausrüstung

Grundausstattung für Freeriding/Variantenfahren:
Das LVS-Gerät muss vor jeder Nutzung auf seine Funktionstüchtigkeit kontrolliert werden. Bei der Nutzung ist regelmäßige Übung notwendig (auch mit digitalen Geräten!).
Die Lawinensonde verkürzt Punktortung und Ausgrabungszeit wesentlich (ca. 30 – 40% Zeitersparnis, die die Überlebenschancen der verschütteten Person wesentlich steigern). Die Sonde ist eine notwendige Orientierungshilfe beim Graben, um die Verschüttungstiefe festzustellen. Seilzug-Sonden können besonders schnell zusammengebaut werden.
Die Lawinenschaufel verkürzt die Ausgrabungszeit und erhöht die Überlebenschancen der verschütteten Person wesentlich.
Ein Erste Hilfe-Set ist unerlässlich für die Erstversorgung verletzter Personen.

Wir können die ausgezeichnete Notfallausrüstung unseres Partners Ortovox sehr empfehlen.

Zusätzliche Ausrüstung:
Ein ABS-Rucksack (zur Vermeidung einer Verschüttung) muss aktiv ausgelöst werden, jedoch ist bei bestimmten Lawinensituationen trotzdem eine Verschüttung möglich (Überspülung im Staubereich). Recco-Reflektoren können zur schnellen Ortung nur dann genutzt werden, wenn im Ski-/Unfallgebiet ein Recco-Suchgerät vorhanden ist. Das AvaLung ermöglicht ein längeres Überleben in der Lawine durch Nutzung der im Schnee vorhanden Luft. Der Avalanche-Ball wird zur zur schnellen Ortung verwendet (Ball bleibt an der Schneeoberfläche), verhindert aber nicht die Verschüttung. Ein Funkgerät/Handy kann zur schnellen Alarmierung von Hilfskräften/Bergrettung genutzt werden (Handy nur funktionstüchtig mitführen, nie ausgeschaltet oder im Flugmodus!), ersetzt aber nicht die Kameradenhilfe.

Biwaksack, Erste-Hilfe Set und Handy gehören ebenfalls zu jeder Tour, optional ein Airbagsystem (mit 2kg Zusatzgewicht)

Die Kameradenhilfe ist die einzige wirklich reelle Überlebenschance bei einer Verschüttung!

6. Links und Empfehlungen

Wetter: DAV Alpen Bergwetter der ZAMG, Wetter Online (mit Niederschlagsradar), Deutscher Wetterdienst
Lawinenlagebericht und Schneeinfos: Bayern, SLF Schweiz, Tirol / Österreich
Topographische Karten (Kostenpflichtig): Alpenverein Aktiv, Kompass, Fatmap
Planungstool: skitourenguru.ch
Notfall-App: SOS EU ALP